Samstag, 20. Mai 2006

Hungersnot in der Ukraine (1932/33)

Die Ukraine gilt zu Recht als Kornkammer dank ihrer sehr guten Schwarzerdeböden. Deshalb ist es umso schwieriger zu verstehen, dass in der Ukraine in den Jahren 1932 und 1933 eine politisch verursachte schwere Hungersnot mit 4 bis 7 Millionen (!!!) Toten stattfand. Diese Tragödie kennt aber fast niemand in Westeuropa. Historiker bezeichnen diese Hungersnot als "schnellste gegen eine einzelne Volksgruppe gerichtete Massentötung des 20. Jahrhunderts und womöglich der Geschichte".



Mahnmal in Kiew für die Opfer der Hungersnot


Wikipedia über die Ukrainische Hungersnot:

Nach der Einrichtung von Kolchosen im Rahmen der Kollektivierung wurden diese dazu verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Ernte an den Staat abzuführen. Die Quote lag in der Ukraine bei ca. 30 %. 1931 wurde die Steuerquote für Getreide auf rund 40 % erhöht. Im Jahr 1932 kam es zu Problemen, das Getreide einzuziehen. Die ukrainische Landbevölkerung widersetzte sich der Getreideabgabe und versuchte Teile der Ernte zu behalten, die sie hätte abgeben müssen. Das sowjetische System antwortete mit einer Verschärfung der Repressionen. In den Städten wurden Stoßbrigaden kommunistischer Aktivisten zusammengestellt. Dies fuhren dann in die landwirtschaftlichen Gebiete und führten dort Beschlagnahmungen durch. Die Lage wurde dabei immer chaotischer. Repressalien, angefangen von Verhören, Drohungen und Belagerungen von Bauernhöfen bis hin zu Verhaftungen mit oder ohne Verurteilung waren an der Tagesordnung. Am 7. August wurde das „Ährengesetz“ verabschiedet. Dieses sah für jede „Verschwendung sozialistischen Eigentums“ eine Strafe von 10 Jahren bis zur Todesstrafe vor.

In den folgenden anderthalb Jahren wurden 125000 Menschen nach diesem Gesetz verurteilt. Darunter waren 5400 Todesurteile. Das Gesetz brachte aber auch keinen Erfolg. Am 22. Oktober wurde eine Sonderkommission in die Ukraine entsandt. Ihr Auftrag war es, den Widerstand zu brechen, wozu sie weitestgehende Vollmachten hatte. Es folgte nicht nur eine Verhaftungswelle, von der sowohl Bauern als auch örtliche Partei- und Verwaltungskräfte betroffen waren. Schwerer wogen die wirtschaftlichen Repressalien. Die Beschlagnahme aller Ladenartikel und das Unterbinden jeglichen Handels. Die Landbevölkerung wurde von der Versorgung abgeschnitten. Der nächste Schritt, der zum Völkermord führte, war die Anweisung, alle Getreidevorräte auf den Kolchosen zu beschlagnahmen. Die Beschlagnahmungen wurde mit großer Härte durchgeführt, Folter und Tötungen inbegriffen.

Am 27. Dezember 1933 wurde ein Inlandspaß und für die Bewohner der großen Städte eine Meldepflicht eingeführt, um die Flucht der Landbewohner in die Städte zu stoppen. Am 22 Januar folgte ein Befehl von Stalin und Molotow an die Geheimpolizei GPU, die Landbewohner am Verlassen der Hungergebiete zu hindern. Mehrere Hunderttausend Menschen, die es in die Städte schafften, werden von dort wieder vertrieben. Tausende von Kindern wurden von ihren Eltern in die Städte geschafft und dort ausgesetzt in der Hoffnung, jemand werde sich ihrer annehmen. Zur Beseitigung der Kinder aus den Städten wurde daraufhin eine Sondereinheit gegründet. Diese sammelte die verhungernden Kinder auf der Straße ein. Sie wurden aus den Städten abtransportiert. Auf freiem Feld setzte man die Kinder anschließend zum Sterben aus. Zusammen mit dem Hunger brachen Seuchen in der geschwächten Bevölkerung aus. Im Frühjahr 1933 erreichte die Sterblichkeit ihren Höhepunkt. Während die Bauern verhungerten, exportierte die Sowjetunion 1933 1,8 Millionen Tonnen Getreide.

Die Weltöffentlichkeit reagierte kaum auf den Völkermord in der Sowjetunion. Es gab nur wenige Zeitungsberichte, diplomatische Reaktionen blieben aus. Die Sowjetunion selbst zensierte die wahrheitsgemäße Berichterstattung.

Die Zahl der Opfer läßt sich nur schwer bestimmen, da es während des Bestehens der Sowjetunion keine Untersuchung vor Ort geben konnte. Anhand der Zahlen der Volkszählung von 1937 und 1939 wird die Zahl der Toten auf 4 Millionen Ukrainer geschätzt. In anderen landwirtschaftlichen Gebieten der Sowjetunion starben demnach weitere 2 Millionen Menschen durch die künstlich verursachte Hungersnot.

Der vergleichende Völkermordforscher Gunnar Heinsohn schätzt die Zahl der Opfer auf 6-7 Millionen Ukrainer. Für ihn ist es die „schnellste gegen eine einzelne Volksgruppe gerichtete Massentötung des 20. Jahrhunderts und womöglich der Geschichte“. Als Motiv nimmt er die „Brechung der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung“ an.

1 Kommentar:

Stefan Sallenbach hat gesagt…

Der Holodomor (Holod = Hunger, Mor = Tod) wird von Russland mit der Begründung nicht als Völkermord anerkannt, weil er sich nicht gegen ein einzelnes Volk gerichtet habe, es seinen Menschen verschiedener Völker umgekommen. Ausserdem habe man die Menschen nicht gezielt getötet, vielmehr seien Missernten mit Schuld am Sterben gewesen.

Unbestritten scheint zu sein, dass der unmittelbare Auslöser des Massensterbens, gewollt oder ungewollt, auf die Russische Politik zurück zu führen war. Wurde im Sozialismus ein erteilter Befehl aus falsch erkannt und korrigiert, konnte dies schon mal für Tausende oder wie hier Millionen, der Tod bedeuten.
Die Ukraine hätte sich immer selbst ernähren können !

Das Europäische Parlament anerkannte 2008 den Holodomor als Verbrechen gegen die Menschlichkeit an.