Dienstag, 30. Oktober 2007

Sowjetische Staatskarosse

Am letzten Wochenende habe ich beim Park Slavi, wo es am Samstag immer sehr viele Hochzeitsgesellschaften hat (in 15 Minuten gabe es mehr als 20 Brautpaare...), eine ganz spezielle Limousine für ein Brautpaar gesehen. Einen ZIL-114 (ЗИЛ-114).


ZIL-114 / ЗИЛ-114


ZIL steht dabei für Sawod imeni Lichatschowa (Завод имени Лихачёва) und ist ein ehemals sowjetischer und heute russischer Hersteller von Lastwagen, Bussen und Limousinen. Berühmt wurde das Werk aber wegen den Limousinen, die nur für die sowjetische Führung und die Führung befreundeter Staaten gebaut wurden. Der ZIL-114 wurde von 1967 bis 1985 gebaut und hatte einen V8 6 Liter Motor mit 300 PS und erreichte 170km/h.

Nur der Vollständigkeit sei noch erwähnt, dass die heutige Staatsführung sowohl der Ukraine als auch von Russland natürlich nicht mehr ZIL sondern Limousinen des ehemaligen Klassenfeindes aus Deutschland fährt. Nicht einmal der sonst so nationalistische Sowjetnostalgiker Wladimir Putin (Владимир Владимирович Путин) lässt sich mit ehemals sowjetischen Staatskarossen durch sein Reich chauffieren...
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Samstag, 20. Oktober 2007

Wahlen in der Schweiz

Nur drei Wochen nach den Parlamentswahlen hier in der Ukraine finden auch in meiner Heimat, der Schweiz, an diesem Wochenende Parlamentswahlen statt. Ich verfolgte dabei den Wahlkampf v.a. über die elektronischen Schweizer und Internationalen Medien. Ehrlich gesagt war ich etwas überrascht, wie detailliert eines meiner Lieblingsmedien, der "Spiegel Online", über den Wahlkampf in der Schweiz berichtet hat (Link). Und was dort über die Dominanz der SVP, ihre Plakatkampagne und v.a. deren Wahrnehmung im Ausland geschrieben wurde, hat mich doch schon etwas beunruhigt. Man kriegt da fast unweigerlich den Eindruck, dass die Schweiz ein tendenziell ausländerfeindliches Land sei.

Ich bin mir zwar unterdessen einen harten politischen Stil aus der Ukraine gewohnt, aber dass dieser Stil nun immer mehr auch in der Schweiz Einzug hält, stimmt mich doch etwas nachdenklich. V.a. die Erkenntnis, dass die Schweiz, welche ja von der Globalisierung de facto profitiert, so eine Angst vor dem "Fremden" hat, ist schon irgendwie paradox.


Berüchtigtes SVP Plakat

Als Auslandschweizer hier in Kiew kommen mir die Niederungen der Schweizer Politik schon etwas bizarr vor und ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich diesen Wahlkampf nicht aus der Nähe verfolgen musste. Natürlich habe ich als pflichtbewusster Schweizer Bürger an den Wahlen mit brieflicher Stimmabgabe teilgenommen. Als Auslandschweizer bekam ich vor ca. vier Wochen Post aus der Schweiz. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern können Auslandschweizer nicht auf der Botschaft direkt abstimmen, sondern müssen die ausgefüllten Wahlunterlagen selbst in die Schweiz schicken. Mit der hiesigen Post heisst dies, dass es nicht 100% sicher ist, dass auch meine ausgefüllten Wahlunterlagen rechtzeitig und überhaupt in der Schweiz ankommen. Ich fände es ehrlich gesagt besser, wenn ich die Unterlagen an die Schweizer Botschaft hier schicken könnte und diese dann die Unterlagen mit Diplomatenpost in die Schweiz schickt. Diese Wahlen werden ja nun zum ersten Mal von der OSZE beobachtet und unter anderem wird auch das Abstimmungsverfahren für die vielen Auslandschweizer genau analysiert und in ersten Erklärungen wurde dies auch schon etwas bemängelt. So hoffe ich, dass das System vielleicht etwas verbessert wird - wir werden sehen.

Für den Wahlausgang mache ich mir keine grossen Sorgen. Es wird so sein wie immer: Im Grossen und Ganzen wird sich nicht viel ändern - schliesslich ist es ja die Schweiz. Aber es beeindruckt mich schon immer wieder, dass wir morgen Abend um 19:00, zwei Stunden nach dem Schliessen der Urnen, eine zuverlässige Prognose haben werden. Neben der guten Organisation ist aber sicherlich auch die überschaubare Grösse der Schweiz dafür verantwortlich.
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Dienstag, 16. Oktober 2007

Der Kiewer Autobazar

Schafft man sich ein Auto an, muss man sich auch mit Problemen wie dem Beschaffen von Winterreifen beschäftigen. Was in Westeuropa ganz klar ist - man geht entweder in eine Garage oder zu einem Reifenhändler - kann in Kiew noch ganz spannend sein.


Im Autobazar findet man Reifen und Felgen aller Art


Natürlich kann man das in Kiew auch so wie in Westeuropa machen - nur machen dies die wenigsten, da dies viel zu teuer ist. Der ultimative Ort um gute und billige Winterreifen und Felgen zu finden ist der Kiewer Autobazar (Автобазар, Авторынок) im Stadtteil Darniza (Дарница) am Boulevard Perova 19 (бул. Перова, 19).


Händler in Ständen bieten alle möglichen Ersatzteile an


Einerseits hat es eine riesige Auswahl an Sommer- und Winterreifen. Dort habe ich dann auch etwas verwundert festgestellt, dass man in der Ukraine auch Reifen mit Spikes kaufen kann und damit sogar völlig legal herum fahren. In Westeuropa ist dies ja absolut undenkbar und vielleicht erklärt dies teilweise auch, warum der Strassenbelag in der Ukraine oft in so einem schlechten Zustand ist. Und neben den "europäischen" Winterreifen kann man auch weiche, skandinavische Winterreifen für den Permafrost kaufen. Dies ist aber als Kiewer nicht ratsam, denn in Kiew werden die Strassen ja oft gepflügt und somit fährt man nur unnötig schnell die Winterreifen ab.


Ansicht eines Standes mit Autoersatzteilen


Neben Reifen und Felgen kann man aber auch alles andere nur denkbare für das Auto kaufen - vor allem für die sowjetischen Automarken, von denen es ja immer noch genug auf der Strasse gibt. Im Autobazar kann man dann ganze original Armaturenbretter, Stossdämpfer, Stossstangen, Tuning, etc. kaufen. Natürlich gibt es im Autobazar auch komplette Auto-Alarmanlagen, die hier ja sehr beliebt sind... Und selbstverständlich hat der Kiewer Autobazar auch über das Wochenende offen.


Detailansicht des Angebots eines Standes


Da sich bis heute viele (oft auch ältere) Ukrainer keine "professionelle" Reparatur an ihrem liebgewonnenen Sowjet-Auto leisten können, haben sich viele zum Hobby-Automechaniker weiter gebildet. Dies erklärt natürlich v.a. das Bestehen dieses Autobazars.
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Sonntag, 14. Oktober 2007

Tschernihiw

Heute waren wir in der nord-ukrainischen Stadt Tschernihiw (ukr. Чернiгiв, russ. Чернигов), welche auch die Hauptstadt der gleichnamigen Oblast ist. Die Stadt liegt rund 130 km nördlich von Kiew nahe an der weissrussischen Grenze. Die Stadt liegt 60km nördlich des Kiewer Meeres und auch nördlicher (aber auch 80 km östlicher) als Tschnerobyl.


Die Jekaterinen Kirche von Tschernihiw


Tschernihiw hat rund 300'000 Einwohner und liegt am Fluss Desna (Десна), einem Zufluss des Dnjepr (Днепр). Die Desna ist 1'130 km lang und entspringt in Russland in den Smolensker Höhen (Смоленская возвышенность) und fliesst etwas oberhalb von Kiew, aber unterhalb des Staudammes des Kiewer Meeres, in den Dnepr.


Blick von der Jekaterinen Kirche auf die E95 nach Kiew


Tschernihiw ist eine der ältesten und bedeutendsten Städte der Kiewer Rus. Im 9. Jahrhundert wurde Tschernihiw die Hauptstadt des ostslawischen Stammes der Sewerjanen und war vom 11. bis zum 13. Jahrhundert Hauptstadt des Fürstentums von Tschernihiw. Erstmalig erwähnt wurde die Stadt 907.


Boris und Gleb Kathedrale (1123 erbaut)


1239 wurde Tschernihiw von den Mongolen geplündert. Ab 1370 gehörte die Stadt zum Grossfürstentum Litauen, seit 1503 zum Fürstentum von Moskau. 1611 wurde Tschernihiw an Polen abgetreten, kam aber 1654 als Teil des ukrainischen Hetmanates von Bogdan Chmelnitzki unter russische Hoheit. 1802 wurde die Stadt Hauptstadt des russischen Gouvernements Tschernigow. Seit 1932 ist Tschernihiw die Hauptstadt der Oblast Tschernihiw.


Spaso-Preobraschenski-Kathedrale (1030 erbaut)


Aus der Zeit des Kiewer Rus sind noch viele alte Kirchen des ehemaligen Tschernihiwer Kreml erhalten. Die Spaso-Preobraschenski-Kathedrale ist die erste Kathedrale des Kiewer Rus überhaupt - sie wurde also noch vor den berühmtem Kiewer Kathedralen wie der Sofienkathedrale, der Michaelskathedrale und der Uspensky Kathedrale der Kiewer Lawra erbaut.


Tschernihiwer Kollegium (1702 erbaut)


Die Spaso-Preobraschenski-Kathedrale und die Boris und Gleb Kathedrale aus dem 11. und 12. Jahrhundert fand ich in ihrer Schlichtheit besonders beeindruckend und sind sogar etwas mit den aus der gleichen Zeitepoche stammenden Kirchen Westeuropas (z.B. romanische Kirchen der Halbinsel Reichenau) vergleichbar.


Glockenturm des Tschernihiwer Kollegiums


Das 1702 erbaute Tschernihiwer Kollegium hingegen ist ein Zeugnis des ukrainischen Barocks (der auch "Kosaken Barock" genannt wird) - vergleichbar mit der Andreas-Kathedrale von Kiew. Das Kollegium war zu dieser Zeit die wichtigste Schule des Hetmanates und somit der damaligen Ukraine.


Lenin Boulevard im Stadtzentrum


Die eigentliche Stadt ist eine typische ukrainische Provinzstadt mit einem grossen Lenin Boulevard im Zentrum. Im Stadtzentrum sind die Häuser dabei noch relativ klein und vereinzelt hat es sogar noch alte Holzhäuser. Ausserhalb des Stadtzentrums hat es die typischen sowjetischen Wohnsilos.

Tschernihiw ist auch wegen seines Bieres bekannt, dem Tschernihiwske (Чернігівське). Es gilt zur Zeit als eines der besten ukrainischen Biere und ist sehr weit verbreitet. Und das Bier hat in seinem Logo die Spaso-Preobraschenski-Kathedrale abgebildet - weshalb man vielleicht auch sagen kann, dass diese Kirche vielleicht die bekannteste ukarainische Kirche überhaupt ist...


Kleinere Strasse im Stadtzentrum


Nach Tschernihiw sind wir mit unserem neuen Auto auf der direkten Fernstrasse E95 (hier werden diese als Trasse bezeichnet) gefahren. "E" steht ausserdem für Europastrasse - man höre und staune - verkehrstechnisch ist die Ukraine schon in Europa angekommen! Diese Fernstrasse hat dabei in jede Fahrtrichtung zwei (meist) getrennte Fagrspuren. Trotzdem ist eine ukrainische Fernstrasse leider nicht mit einer westeuropäischen Autobahn vergleichbar, da sie einerseits viel holpriger ist (Schlaglöcher und z.T. sehr rauher Fahrbelag). Andererseits hat es auf dem Pannenstreifen Velos, Mopeds, Fussgänger und sogar Pferdefuhrwerke (!!!). Und eine Fernstrasse ist nicht eingezäunt und es hat relativ viele kleine Zufahrten und Wende-Möglichkeiten quer über die Trasse. Auf diesen Fernstrassen ist die Höchstgeschwindigkeit 110 km/h, die aber lange nicht von allen eingehalten wird. Innerorts - auch wen man auf der Trasse ist - sollte man nicht schneller als 60 km/h fahren. Auf der ganzen Strecke habe ich rund fünf Polizeikontrollen (!!!) gesehen. Sonst gilt ausserorts die Geschwindigkeitsbeschränkung von 90 km/h.


Kleines Restaurant an der Fernstrasse


Entlang der E95 hat es fast alle 5 km kleine Restaurants. Natürlich mussten auch wir auf dem nach Hause Weg am Abend in einem solchen einkehren. Leider sind nicht alle wirklich gemütlich - man kann auch leicht in eine sehr lärmige und mit Besoffenen überfüllte Dorfspelunke gelangen. Nach mehreren Anläufen haben wir aber doch noch etwas sympathisches gefunden. Als ich dieses Lokal fotografieren wollte, wurde mir zwar vorübergehend die Kamera weg genommen. Als der älterere, recht rabiate Mann aber merkte, dass ich Schweizer aus Kiew bin, wurde er sehr freundlich und gab mir die Kamera umgehend zurück und schüttelte mir sogar überfreundlich die Hand...
  • Blog: Kiewer Meer: Link
  • Blog: 20 Jahre Tschernobyl und Kiew: Link
  • Blog: Nationalheld Bogdan Chmelnitzki: Link
  • Blog: Kiewer Sofien-Kathedrale: Link
  • Blog: Kiewer Michaels-Kathedrale: Link
  • Blog: Das Kiewer Höhlenkloster/Lawra: Link
  • Blog: Kiewer Andreas-Kathedrale: Link
  • Blog: Ukrainisches Bier: Link
  • Website des Tschernigiwske Biers: Link

Samstag, 13. Oktober 2007

Video: Sowjetische Luftmacht

Auf youtube.com habe ich heute noch das nachfolgende Video gefunden, welches die meisten sowjetischen Flugzeuge des Luftfahrtsmuseum im Einsatz zeigt. Das ganze ist mit pathetischer sowjetischer Armee-Musik hinterlegt.



  • Blog: Luftfahrtmuseum: Link
  • Blog: Ukrainisches Luftfahrtmuseum: Link
PS: Kennt jemand das erste und letzte Lied, welches mit "Салют отцам и нашим дедам советами всегда верны..." beginnt? Mich würde der Titel, Verfasser und Komponist interessieren. Vielleicht hat ja auch jemand eine MP3-Datei davon? Ich kenne das Lied schon aus einem meiner Lieblingsfilme "Jagd auf Roten Oktober" - es hat mir dort schon gefallen.

Freitag, 12. Oktober 2007

Luftfahrtmuseum

Am letzten Wochenende waren wir wieder einmal im Flugzeugmuseum der Ukrainischen Aviatik Universität in der Nähe des Kiew-Zhulyany Flughafens im Süd-Westen der Stadt. Bekanntlich waren wir ja schon mehrmals in diesem sehr eindrücklichen Museum (siehe früherer Blog Beitrag). Im Gegensatz zu früheren Besuchen hat es aber diesmal nicht geregnet...


Jakolew Jak-3 Zweitweltkriegs Jäger


Mehrere der hier ausgestellten Flugzeuge sind einmalig auf der Welt - sogar in Russland hat es keine komplettere Sammlung von Flugzeugen aus der ehemaligen UdSSR.


Antonow An-2 Passagierflugzeug (1947)



Kamow Ka-25PL Hormone Marine Helikopter (1961)


Bei diesem Besuch haben wir einen neuen, etwas versteckten Bereich des Museums entdeckt. Natürlich war uns bei den früheren Besuchen im Regen nicht unbedingt nach ausgedehnten Spaziergängen zu Mute... In diesem Bereich (Flugfeld hinten links) befindet sich die grösste Sammlung von sowjetischen strategischen Bombern aus der Hochzeit des Kalten Kriegs. Es hat dabei eine Sammlung fast aller je gebauten Typen des Tupolew Tu-22M Backfire Überschallbombers aus dem Jahre 1969. Dieser Bomber stellte eine der grössten Bedrohungen für die NATO dar und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 2'300 km/h.


Tupolew Tu-22M Backfire Schwenkflügel Überschallbomber (1969)



Verschiedene Typen von Tu-22M Backfire Bombern

Am Ende des selben Flugfelds befindet sich auch ein Modell des legendären Tupolew Tu-142MZ Bear Langstrecken Bombers aus dem Jahre 1985. Dieses hier ausgestellte Modell der Tu-142 wurde eigentlich aus der Tupolew Tu-95 des Jahres 1952 weiterentwickelt. Die Tragflächen mit einer Pfeilung von 35° und der Antrieb durch die bis heute leistungsstärksten Turboprop-Triebwerke, die auf je zwei gegenläufig rotierende 4-Blatt-Propeller wirken, ermöglichen Flugleistungen von bis zu 830 km/h, die an die von strahlgetriebenen Flugzeugen heran reichen. Die Tu-95 respektive Tu-142 wurde als ernste Bedrohung für die NATO und als gleichwertig zum berühmten amerikanischen B-52 Bomber eingestuft.

Diese Flugzeug ist insofern aktuell, da seit Juli dieses Jahres die Russen erstmals nach Ende des Kalten Krieges auch wieder Einsätze mit der Tu-95 über das russische Territorium hinaus fliegen. Tu-95 Bomber flogen dabei bis zum US-Luftwaffenstützpunkt Guam im Pazifik oder bis an die britische und norwegische Grenze.


Tupolew Tu-142MZ Bear Langstrecken Bomber (1985)

  • Blog: Ukrainisches Luftfahrtmuseum: Link
  • Wikipedia über Jak-3 Jäger: Link
  • Wikipedia über Antonow An-2 Passagierflugzeug: Link
  • Wikipedia über Kamow Ka-25 Helikopter: Link
  • Wikipedia über Tupolew Tu-22M Backfire Bomber: Link
  • Wikipedia über Tupolew Tu-142 Bomber: Link

Mittwoch, 10. Oktober 2007

Babi Jar

Am letzten Wochenende haben wir den traurigsten Ort der Kiewer Geschichte besucht: Babi Jar (Бабий Яр). Babi Jar (Weiberschlucht, oft auch Babi Yar geschrieben) ist eine Schlucht im Schuljawka (Шулявка) Bezirk von Kiew, die sich ursprünglich aber ausserhalb der Stadtgrenze von Kiew befand. Nach der Eroberung von Kiew durch die deutsche Wehrmacht wurden in dieser Schlucht am 29. und 30. September 1941 33'771 Kiewer Juden jeder Altersgruppe - also auch Kinder - vorwiegend mit Maschinengewehren systematisch getötet. Bis zum 12. Oktober 1941 wurden an diesem traurigen Ort insgesamt 51'000 Juden von der deutschen Wehrmacht, Angehörigen des Sicherheitsdiensts Reichsführer-SS, der Polizei, der Geheimen Feldpolizei und des Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe C ermordet. Durch Zeitzeugen geschilderte Szenen, die sich hier abgespielt haben, sind absolut unfassbar.


Heutiges Babi Jar Mahnmal


Babi Jar war vermutlich die grösste systematische Massentötung über einem so kurzen Zeitraum in der Menschheitsgeschichte und war u.a. auch deshalb ein Anklagepunkt im Nürnberger Prozess. Neben den Kiewer Juden wurden an diesem Ort während der deutschen Besatzung auch sowjetische Kriegsgefangene, ukrainische Widerstandskämpfer und Zivilbevölkerung unterschiedlicher Nationalitäten systematisch getötet. Man schätzt, dass an diese Ort insgesamt zwischen 150'000 und 200'000 Menschen getötet wurden. Um die Leichen verschwinden zu lassen, wurden die Wände der Schlucht teilweise von der Wehrmacht gesprengt und damit die Schlucht aufgefüllt.


Kleider von in Babi Jar erschossenen Opfern

Als sich die deutsche Niederlage begann abzuzeichnen, wurde zwischen August und September 1943 versucht, die Spuren dieses unfassbaren Massenmords zu verdecken. Hierfür wurden 300 Häftlinge des sich in unmittelbarer Nähe befindenden Konzentrationslagers Sirez (Сырец) unter brutalsten Bedingungen eingesetzt. Sie mussten die Leichen ausgraben, verbrennen und die Knochen zermahlen. Bei einer Revolte am 29. September 1943 konnten 15 Häftlinge flüchten und später am Nürnberger Prozess aussagen.


Babi Jar während den Untersuchungen durch sowjetische Truppen


Als wäre dies noch nicht genug Leid für einen Ort gewesen, brach am 13. März 1961 beim Versuch die Schlucht mit Sand, Ton und Wasser zur Neulandgewinnung aufzufüllen ein Damm und die Schlammlawine überflutete Wohngebiete, Industrieanlagen und ein Tramdepot. Diese Katastrophe wurde von den Behörden grösstenteils verschwiegen und offiziell gab es 145 Todesopfer. Inoffizielle Schätzungen gehen aber von rund 2'000 Todesopfern aus.


Heutige Babi Jar Schlucht mit Park


Ehrlich gesagt war für mich der Besuch dieses Ortes sehr beklemmend. Am Mahnmal hatte es frische Blumen und Kränze und an diesem Samstag auch Besucher. Der Park ist wirklich sehr schön und wird auch von der Kiewer Jugend benutzt. Unmittelbar am Park entlang führt eine viel befahrene, mehrspurige Strasse. Irgendwie steht dies im Kontrast zu diesem Ort. Auch habe ich mich nicht getraut, in die heutigen Reste Schlucht hinunter zu gehen (was aber durchaus von Anwohnern gemacht wird) - vermutlich aus Respekt vor den vielen Toten. An einem solchen Ort wird man zwangsläufig ruhig und nachdenklich - und versucht irgendwie das unfassbare doch irgendwie zu erahnen...
  • Die Ereignismeldung 106: Link
  • Gedicht "Babi Jar" von Jewgeni Jewtuschenko: Link
  • "Die Zeit" Artikel über Babi Jar: Link

Samstag, 6. Oktober 2007

Resultat der Wahlen

Obwohl die vorgezogenen Wahlen ja eigentlich am letzten Sonntag waren, wurde erst heute das vorläufigen Endergebnis der Parlamentswahlen bekannt gegeben. Der Grund waren fehlende Resultate aus Simferopol - einer Hochburg der Partei der Regionen. Somit wurde auch gemunkelt, dass die Partei der Regionen hinter diesen Verzögerungen steckt.

Insgesamt werden in der neu gewählten Werchowna Rada fünf Parteien vertreten sein - d.h. diese Parteien haben mehr als 3% der Stimmen erzielt. Die Sozialistische Partei von Oleksandr Moroz (Олександр Мороз), dem ehemaligen Vorsitzenden des Parlaments, wurde wegen des Wechseln vom Orangen zum Blauen Lager abgestraft und schafft den Einzug knapp nicht mehr. Auch die Kommunisten haben den Einzug in's neue Parlament problemlos geschafft.


Vorläufiges Endergebnis der Parlamentswahlen


Die Partei der Regionen von Viktor Janukowitsch (Віктор Федорович Янукович) bleibt zwar stärkste Partei, hat aber rund 2% im Vergleich zu den Wahlen im Vorjahr verloren. Julia Timoschenko (Юлія Володимирівна Тимошенко) konnte hingegen 8.5% zulegen. Nascha Ukraine von Präsident Viktor Juschtschenko (Віктор Андрійович Ющенко) hatte ein fast gleiches Resultat wie letztes Jahr. Neu ist der Block Litwin von Wolodimir Litwin im (Володимир Михайлович Литвин) Parlament vertreten.


Regionale Verteilung bei den Wahlen


Regional hat sich nicht viel geändert ausser der Tatsache, dass Julia Timoschenko fast überall zulegen konnte. Noch immer gibt es eine klare politische West-Trennung Im Land.

Zukünftige Sitzverteilung im Parlament


Die grösste Überraschung ist wohl die Tatsache, dass die beiden orangen Parteien (Block Julia Timoschenko und Nascha Ukraina) zusammen mit 228 Sitzen (von 450 Sitzen) eine ganz knappe Mehrheit im neue Parlament haben werden. Es wurde vor den Wahlen nicht erwartet, dass zwei Parteien alleine in der Lage sein werden, eine regierungsfähige Koalition zu bilden. Somit ist auch ziemlich sicher, dass Julia Timoschenko neue Ministerpräsidentin der Ukraine wird - Nascha Ukraine hat dem nämlich schon zugestimmt.

Das bislang elektronisch ausgewertete Wahlergebnis muss jetzt noch anhand der manuellen Auszählung in den einzelnen Wahlbüros bestätigt werden. Erst dann ist von einem amtlichen Endergebnis die Rede.

Freitag, 5. Oktober 2007

Kiewer Meer

Letztes Wochenende waren wir am Kiewer Meer (Киевское море), einem riesigen künstlichen Stausee, der 15 km nördlich des Kiewer Stadtzentrums beginnt. Die beiden grössten Zuflüsse des Kiewer Meers sind dabei die mächtigen Flüsse Dnjepr (Днепр) und Pripjat (Припять) - einziger Abfluss bei Kiew ist der Dnjepr.


Staudamm beim Dnjepr Abfluss vom Meer aus gesehen


Das Kiewer Meer ist rund 70 km lang, endet an der weissrussischen Grenze und ist an seiner breitesten Stelle rund 13 km breit. Es hat eine Fläche von 922 km² und ein Volumen von 3.7 km³. Zum Vergleich: der Bodensee (Unter- und Obersee) hat eine Fläche von 536 km² und ein Volumen von 48 km³. Das Kiewer Meer hat eine durchschnittliche Tiefe von nur 4 m - es ist also sehr flach.


Strasse über den Staudamm


Das Absperrbauwerk ist ein über 41 km langer Damm, der zur Zeit seiner Errichtung der längste Staudamm der Erde war. An seiner höchsten Stelle ist der Erddamm 68 m hoch.


Schleuse am Staudamm


Das Kiewer Meer wurde zwischen 1960 und 1966 als letztes eines ganzen Systems von Dnjepr Stauseen zur Stromerzeugung erbaut. Südlich von Kiew befinden sich nacheinander die Kaniv (Каневское водохранилище), Krementschuk (Кременчугское водохранилище), Dniprodserschinsk (Днепродзержи́нское водохрани́лище), Dnjepr (Днепровское водохранилище) und Kachovka Stauseen (Каховское водохранилище).


Kiewer Meer unmittelbar oberhalb des Staudamms


Bekanntlich lag am Pripjat Fluss, einem Zufluss des Kiewer Meers, das Tschernobyl (Чернобыль) Kernkraftwerk, welches in einem Super-GAU 1986 explodierte und die Folge davon die grösste radioaktive Katastrophe der Menschheitsgeschichte war. Das Kraftwerk lag dabei nur 20 km vom Kiewer Meer entfernt. Unmittelbar nach der Katastrophe ist eine grosse Menge radioaktiven Materials in das Kiewer Meer gespült worden, welches sich auf dem Grund des Kiewer Meers abgelagert hat. Dementsprechend ist es nicht unbedingt ratsam, im Kiewer Meer zu Baden.


Bewaldetes Ufer bei der breitesten Stelle des Kiewer Meeres


Hingegen gibt es auf dem unmittelbar oberhalb von Kiewer liegenden Teil des Meers im Sommer viele Segelschiffe, Windsurfer, Ruder-und Motorboote.


Sandige Steilküste am bewaldeten Ufer


Am Ufer des Kiewer Meer hat es fast keine Ortschaften und die Ufer sind dementsprechend sehr natürlich und zum Еeil sogar recht wild. Das Meer wirkt dabei im Sommer sehr ruhig, obwohl es bei Wind durchaus rechte Wellen geben kann.


Abendstimmung an einem idyllischer Sandstrand


Da es um das Kiewer Meer fast keine Berge gibt, sieht man am Horizont, wenn überhaupt, nur einen kleinen Streifen des anderen Ufers und so hat man wirklich den Eindruck, an einem Meer zu sein. Natürlich wird dieser Eindruck durch die Tatsache verstärkt, dass es an den Ufern überall Sandstrände mit weissem Sand hat.


Sandstrand bei der breitesten Stelle des Meeres


Ebenfalls sehr angenehm ist die Tatsache, dass die Ufer nicht überfüllt, sondern menschenleer sind. Dafür hat es im Sommer sehr viele Mücken - ehrlich gesagt habe ich in meinem Leben noch nie so viele Mücken gesehen wie bei unserem Ausflug! Obwohl, die Anzahl der Mücken variiert je nach Strand sehr stark. Sonst aber eigentlich ein ideales Erholungsgebiet für die Kiewer. Nur eben schade, dass man im Sommer nicht Baden kann. Im Winter ausserdem gefriert das Kiewer Meer wegen seiner geringen Tiefe sehr oft zu.


Ein weitere Sandstrand bei der breitesten Stelle des Meeres