Tschernihiw
Heute waren wir in der nord-ukrainischen Stadt Tschernihiw (ukr. Чернiгiв, russ. Чернигов), welche auch die Hauptstadt der gleichnamigen Oblast ist. Die Stadt liegt rund 130 km nördlich von Kiew nahe an der weissrussischen Grenze. Die Stadt liegt 60km nördlich des Kiewer Meeres und auch nördlicher (aber auch 80 km östlicher) als Tschnerobyl.
Tschernihiw hat rund 300'000 Einwohner und liegt am Fluss Desna (Десна), einem Zufluss des Dnjepr (Днепр). Die Desna ist 1'130 km lang und entspringt in Russland in den Smolensker Höhen (Смоленская возвышенность) und fliesst etwas oberhalb von Kiew, aber unterhalb des Staudammes des Kiewer Meeres, in den Dnepr.
Tschernihiw ist eine der ältesten und bedeutendsten Städte der Kiewer Rus. Im 9. Jahrhundert wurde Tschernihiw die Hauptstadt des ostslawischen Stammes der Sewerjanen und war vom 11. bis zum 13. Jahrhundert Hauptstadt des Fürstentums von Tschernihiw. Erstmalig erwähnt wurde die Stadt 907.
1239 wurde Tschernihiw von den Mongolen geplündert. Ab 1370 gehörte die Stadt zum Grossfürstentum Litauen, seit 1503 zum Fürstentum von Moskau. 1611 wurde Tschernihiw an Polen abgetreten, kam aber 1654 als Teil des ukrainischen Hetmanates von Bogdan Chmelnitzki unter russische Hoheit. 1802 wurde die Stadt Hauptstadt des russischen Gouvernements Tschernigow. Seit 1932 ist Tschernihiw die Hauptstadt der Oblast Tschernihiw.
Aus der Zeit des Kiewer Rus sind noch viele alte Kirchen des ehemaligen Tschernihiwer Kreml erhalten. Die Spaso-Preobraschenski-Kathedrale ist die erste Kathedrale des Kiewer Rus überhaupt - sie wurde also noch vor den berühmtem Kiewer Kathedralen wie der Sofienkathedrale, der Michaelskathedrale und der Uspensky Kathedrale der Kiewer Lawra erbaut.
Die Spaso-Preobraschenski-Kathedrale und die Boris und Gleb Kathedrale aus dem 11. und 12. Jahrhundert fand ich in ihrer Schlichtheit besonders beeindruckend und sind sogar etwas mit den aus der gleichen Zeitepoche stammenden Kirchen Westeuropas (z.B. romanische Kirchen der Halbinsel Reichenau) vergleichbar.
Das 1702 erbaute Tschernihiwer Kollegium hingegen ist ein Zeugnis des ukrainischen Barocks (der auch "Kosaken Barock" genannt wird) - vergleichbar mit der Andreas-Kathedrale von Kiew. Das Kollegium war zu dieser Zeit die wichtigste Schule des Hetmanates und somit der damaligen Ukraine.
Die eigentliche Stadt ist eine typische ukrainische Provinzstadt mit einem grossen Lenin Boulevard im Zentrum. Im Stadtzentrum sind die Häuser dabei noch relativ klein und vereinzelt hat es sogar noch alte Holzhäuser. Ausserhalb des Stadtzentrums hat es die typischen sowjetischen Wohnsilos.
Tschernihiw ist auch wegen seines Bieres bekannt, dem Tschernihiwske (Чернігівське). Es gilt zur Zeit als eines der besten ukrainischen Biere und ist sehr weit verbreitet. Und das Bier hat in seinem Logo die Spaso-Preobraschenski-Kathedrale abgebildet - weshalb man vielleicht auch sagen kann, dass diese Kirche vielleicht die bekannteste ukarainische Kirche überhaupt ist...
Nach Tschernihiw sind wir mit unserem neuen Auto auf der direkten Fernstrasse E95 (hier werden diese als Trasse bezeichnet) gefahren. "E" steht ausserdem für Europastrasse - man höre und staune - verkehrstechnisch ist die Ukraine schon in Europa angekommen! Diese Fernstrasse hat dabei in jede Fahrtrichtung zwei (meist) getrennte Fagrspuren. Trotzdem ist eine ukrainische Fernstrasse leider nicht mit einer westeuropäischen Autobahn vergleichbar, da sie einerseits viel holpriger ist (Schlaglöcher und z.T. sehr rauher Fahrbelag). Andererseits hat es auf dem Pannenstreifen Velos, Mopeds, Fussgänger und sogar Pferdefuhrwerke (!!!). Und eine Fernstrasse ist nicht eingezäunt und es hat relativ viele kleine Zufahrten und Wende-Möglichkeiten quer über die Trasse. Auf diesen Fernstrassen ist die Höchstgeschwindigkeit 110 km/h, die aber lange nicht von allen eingehalten wird. Innerorts - auch wen man auf der Trasse ist - sollte man nicht schneller als 60 km/h fahren. Auf der ganzen Strecke habe ich rund fünf Polizeikontrollen (!!!) gesehen. Sonst gilt ausserorts die Geschwindigkeitsbeschränkung von 90 km/h.
Entlang der E95 hat es fast alle 5 km kleine Restaurants. Natürlich mussten auch wir auf dem nach Hause Weg am Abend in einem solchen einkehren. Leider sind nicht alle wirklich gemütlich - man kann auch leicht in eine sehr lärmige und mit Besoffenen überfüllte Dorfspelunke gelangen. Nach mehreren Anläufen haben wir aber doch noch etwas sympathisches gefunden. Als ich dieses Lokal fotografieren wollte, wurde mir zwar vorübergehend die Kamera weg genommen. Als der älterere, recht rabiate Mann aber merkte, dass ich Schweizer aus Kiew bin, wurde er sehr freundlich und gab mir die Kamera umgehend zurück und schüttelte mir sogar überfreundlich die Hand...
- Blog: Kiewer Meer: Link
- Blog: 20 Jahre Tschernobyl und Kiew: Link
- Blog: Nationalheld Bogdan Chmelnitzki: Link
- Blog: Kiewer Sofien-Kathedrale: Link
- Blog: Kiewer Michaels-Kathedrale: Link
- Blog: Das Kiewer Höhlenkloster/Lawra: Link
- Blog: Kiewer Andreas-Kathedrale: Link
- Blog: Ukrainisches Bier: Link
- Website des Tschernigiwske Biers: Link
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