Nach der heutigen Auflösung des Parlaments durch den Präsidenten und den angekündigten Neuwahlen ist die politische Zukunft der Ukraine alles andere als sicher. Der Ausgang der bevorstehenden Wahlen wird vermutlich einen grossen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung und somit direkt auf den Wohlstand der Bevölkerung haben. Der wirtschaftliche Aufschwung in der Ukraine ist erst ein paar Jahre alt und droht nun wegen politischen uneinsichtigen Lagern wieder zu verebben.
Unsicher ist, wer die Parlamentswahlen gewinnen wird und somit nächster Ministerpräsident der Ukraine wird. Und die Ukrainer sind bei dieser Wahl wirklich nicht zu beneiden: Auf der einen Seite der undemokratische, aber wirtschaftspolitisch erfolgreiche Viktor Janukowitsch, auf der anderen Seite die vermutlich demokratischere Julia Timoschenko, die aber wieder Firmen verstaatlichen will und eine sehr sozialistische und ineffiziente Wirtschaftspolitik verfolgt. Die wirtschaftlichen Verlierer dieser Wahlen sind auf jeden Fall heute schon bekannt: Die Ukrainer!
Andererseits hatte Präsident Viktor Juschtschenko keine andere Wahl als das Parlament zu entlassen und Neuwahlen auszurufen, wenn er nicht vollständig seine sowieso schon angeschlagene Glaubwürdigkeit verlieren wollte. Ministerpräsident Viktor Juschtschenko hat zielstrebig auf eine Verfassungsmehrheit im Parlament hingearbeitet – vermutlich auch mit illegalen Mitteln. Letzte Woche kursierte in Kiew das Gerücht, dass ein Parlamentarier (d.h. ein Fraktionswechsel) zwischen USD 5 und 7 Millionen kostet. Und hätte Viktor Janukowitsch die Verfassungsmehrheit erhalten, gab es wenig Zweifel, dass er die Verfassung zu seinen Gunsten geändert hätte: Präsidentenwahl durch das Parlament anstelle bisher durch das Volk und uneingeschränkte Macht für den Ministerpräsidenten.
Das einzig vielleicht wirklich positive an dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass die Ukraine eine demokratische Wahl hat und im Gegensatz zu Russland sein zugegebener Massen nicht einfaches Schicksal selbst entscheiden kann. Westliche Analytiker sahen mit der Verfassungsmehrheit in der Ukraine schon russische Zustände, was in der Ukraine nun aber Gott sei Dank nicht so schnell passieren wird. Nach den Neuwahlen wird es sehr schwierig sein, eine Verfassungsmehrheit zu erzielen – mit welchen Mitteln auch immer. Denn die opportunistischen kleinen Parteien werden ziemlich sicher den Sprung in’s neue Parlament nicht schaffen und im Parlament werden nur noch die Partei der Regionen (Janukowitsch), BYuT (Timoschenko) und Unser Ukraine (Juschtschenko) vertreten sein.
Zu hoffen ist, dass Europa nun endlich dieses um Demokratie ringende europäische Land unterstützt und nicht sich selbst und seinem grossen östlichem Nachbarn überlässt. Die Hoffnungen vieler Ukrainer werden aber vermutlich nicht erfüllt, denn dazu ist Europa viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wäre es nicht ein ehrlicher Schritt, die Verhandlungen mit der unwilligen Türkei abzubrechen und mit der seit über 1000 Jahren christlichen und wirklich nach Europa wollenden und auch zum europäischen Kulturkreis gehörenden Ukraine beginnen zu verhandeln? Oder ist die Angst Russland dadurch zu verärgern immer noch zu gross in Europa?
Auf jeden Fall kommen spannenden und wichtige Wochen auf die Ukraine zu und irgendwie bin ich berührt und stolz, dass ich so etwas einmal hautnah miterleben darf, auch wenn ich dies der Ukraine wirklich nicht gewünscht habe.