Sonntag, 8. Oktober 2006

Die verdrängte Altlast Tschernobyl

Spricht man mit Ausländern über Kiew und die Ukraine, kommt bald einmal das Thema Tschernobyl zur Sprache. Bevor ich nach Kiew gezogen bin, habe ich auch in diesem Blog schon einmal über dieses Thema geschrieben (hier klicken für Beitrag vom 26. April zum Thema "20 Jahre Tschernobyl und Kiew") - seitdem aber nicht mehr.

Mir ist aufgefallen, dass die Kiewer fast nie über Tschernobyl sprechen - weshalb auch, man kann ja sowieso nichts daran ändern, dass man hier lebt! Diese fatalistische Einstellung ist hier weit verbreitet. Auch die Tatsache, dass die am schwächsten radioaktiv-verseuchte Zone nur wenige Kilometer nördlich von Kiew beginnnt, wird einfach ignoriert. Und trotzdem wird man doch immer wieder daran erinnert. Ein Beispiel ist mir letzte Woche passiert: Mein alltäglicher Arbeitsweg im Podol-Quartier, der zu Fuss vom Kontraktovaya Platz zu meiner Bank führt, geht an einer grossen Polizeistation (hier Milizia genannt) vorbei. Vor der Station sind mehrere Fahrzeuge parkiert (siehe nachfolgendes Foto):


Tschernobyl Fahrzeug vor einer Kiewer Polizeistation


Ein Fahrzeug fällt aber besonder auf: Dieses Auto ist gross mit "Tschenrobyl" (= Чернобиль) angeschrieben! Anscheinend handelt es sich um ein Fahrzeug, mit welchem von Kiew aus in die radioaktive Zone gefahren wird. Da dieses Fahrzeug bei solchen Fahrten zwangsläufig leicht verstrahlt wird, ist es deshalb auch klar als ein solches gekennzeichnet. Und da ich jeden Tag zweimal an diesem Fahrzeug vorbei gehe, werde ich somit auch täglich an Tschernobyl erinnert. Und jedesmal wechsle ich automatisch die Seite der Strasse - sicher ist sicher!

Auch beim alltäglichen Einkaufen von Lebensmitteln ist das Tschernobyl-Thema für mich allgegenwärtig: Kommen diese landwirtschaftlichen Produkte vielleicht aus der radiaktiv-verseuchten Zone? Gerade wenn man in einem Bazar einkauft, fragt man sich dies! Ich vermute aber, dass ich irgendwann die fatalistische Einstellung der Kiewer auch übernehmen werde und dann dieses Thema einfach auch ignorieren werde...

2 Kommentare:

Lamis hat gesagt…

Kaufen Sie besser nicht Pilze und Preiselbeeren auf dem Markt, sie der am meisten oft von Chernobil Wäldern, als es gibt weniger Leute dann irgendwo um seines sammelt ;-)

Anonym hat gesagt…

Lieber Podvalov!

Ich komme aus Österreich und werde ab kommendem Sommer ein Jahr in Kiew Gedenkdienst leisten. (Was das ist, erfährst Du auf www.gedenkdienst.at)

Irgendwie bin ich letztendenlich auch darauf gekommen, ob ein längerer Aufenthalt in einer Region so nah an Tschernobyl nicht doch die Gesundheit zu schwer belastet und daraufhin auf Deinen Blog gestoßen.

Ich würde mich sehr gerne, bezüglich meinem Leben in Kiew usw., mit Dir unterhalten.

Wenn Du Lust hast, könntest Du mir eine Email schreiben an vinzenz.neuwirth -at- knop3x.at

Ich würde mich sehr freuen und sende liebe Grüße aus Österreich,
Vinzenz