Samstag, 26. Mai 2007

Aktuelle Lage vor der Generalstaatsanwaltschaft

Da ich je gleich neben der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine lebe (siehe früheren Blog Beitrag), war ich heute Nachmittag zwei Stunden vor Ort und habe mir ein aktuelles Bild von der Lage gemacht. Die von der Sondereinheit "Berkut" (Беркут = Steinadler) des Innenministeriums widerrechtlich besetzte Generalstaatsanwaltschaft ist ja im Moment das Zentrum der politischen Krise in der Ukraine.


Berkut Sondereinheiten bewachen den Eingang des Innenministeriums



Berkut Sondereinheiten und unterstützende Demonstranten


Vielleicht aber zuerst eine Zusammenfassung der aktuellen Lage. Präsident Viktor Juschtschenko hat gestern per Erlass die Truppen des Innenministeriums unter seinen Befehl gestellt. Dieser Erlass ist aber juristisch umstritten und die Berkut Truppen, welche die Generalstaatsanwaltschaft besetzt halten, widersetzten sich diesem Befehl. Auch weiterhin widersetzt sich der bisherige Generalstaatsanwaltschaft der Absetzung durch den Präsidenten. Das Innenministerium uns seine Truppen untersteht Ministerpräsident Viktor Janukowitsch, dem politischen Gegner des Präsidenten in dieser Krise. Gestern Freitagabend und heute Samstagmorgen hatten der Präsident und der Ministerpräsident Gespräche zur Entspannung der brisanten politischen Lage. Sie scheinen aber ergebnislos verlaufen zu sein. Agenturen meldeten heute, dass auf Befehl des Präsidenten 3000 Truppen des Innenministeriums auf dem Weg nach Kiew sind.


Demonstranten vor der Generalstaatsanwaltschaft



Fahnen der Partei der Regionen


Wie sieht nun aber die Lage vor Ort aus. Um die Generalstaatsanwaltschaft haben sich mehrere tausend Demonstranten der Partei der Regionen von Ministerpräsident Viktor Janukowitsch zum Schutz der Generalstaatsanwaltschaft versammelt. Daneben hat es mehrere Fernsehteams aus der Ukraine und Russland sowie von Reuters.


Demonstrationsorangisatorin mit Megafon



Drei entspannt wirkende Soldaten der Berkut Sondereinheit


Die Stimmung unter den Demonstranten erscheint ausserordentlich friedlich uns sehr organisiert. Ich habe zum Beispiel keine Demonstranten gesehen, die Alkohol getrunken haben. Die Organisatoren der Demonstration haben natürlich auch WC-Häuschen und Zelte aufgestellt und Matratzen für die Nacht verteilt. Die grosse Menge von Abfall wird zentral gesammelt. Unmittelbar vor der Generalstaatsanwaltschaft hat es einen Wagen, der laut ukrainische Musik überträgt, darunter auch Verka Serdyuchka. Die Demonstranten tanzen ausgelassen zu der Musik, applaudieren den Tänzern und die Stimmung gleicht der eines Volksfestes. Da es sehr heiss ist im Moment in Kiew, wird Wasser verteilt und viele Leute sitzen friedlich auf dem Boden und warten ab. Unser schattiger Innenhof, wo sonst unsere Tochter spielt, wird ausserdem von den Demonstranten als Erholungsraum benutzt. Das Areal vor der Generalstaatsanwaltschaft ist grossräumig abgesperrt. Zwischendurch sieht man auch Abgeordnete der Partei der Regionen die in oder das Gebäude gehen oder das Gebäude verlassen. Als ich vor Ort war, hörte ich, wie über Lautsprecher gesagt wurde, dass Präsident Viktor Juschtschenko die Generalstaatsanwaltschaft besuchen kommt. Während den zwei Stunden ist er aber leider nicht vor Ort erschienen...


Demonstranten tanzen vor der Generalstaatsanwaltschaft



Journalist des russischen Sender "Rossiya" während einer Übertragung


Ehrlich gesagt ist es schwer vorstellbar, dass diese Demonstration und Besetzung gewalttätig beendet werden könnte. Dafür hat es zu viele Demonstranten und Journalisten hier vor Ort. Natürlich hoffe ich dies auch, da ich ja wirklich unmittelbar daneben lebe...

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein sehr guter Stimmungsbericht aus Kiew! Auch wenn ich befürchte, dass die Machtkämpfe zwischen Janukowitsch und Juschtschenko einem vernünftigen Menschen nicht erklärbar sind.

Ich habe Deinen Bericht zitiert und auch drei Fotos übernommen - selbstverständlich mit einem ausdrücklichen Hinweis auf den Autor und mit den entsprechenden Links!

Anonym hat gesagt…

Herzlichen Dank für deine Arbeit als wahrlich unabhängiger Kiev-Reporter. Ich schätze diese direkten Einschätzungen hoch! Ich hoffe bloss, dass sich die Ukraine nicht weiter destabilisiert, denn das könnte böse Enden. Wir haben ja auch Belarus in der Nähe, und von da habe ich schon genügend gehört.
Also berichte einfach wieter und erzähle oder Fotografiere, wass du siehst und hörst.

Ich werde deinem Post Infos entnehmen, mit Hinweis auf den Autor.

Podvalov hat gesagt…

Vielen Dank für Eure Unterstützung aus der Schweiz! Ich werde Euch auf dem Laufenden halten.

Podvalov