Montag, 26. November 2007

Holodomor Gedenktag

Der 24. November 2007 war dieses Jahr der offizielle Holodomor Gedenktag. Dieses Jahr jährt sich der Beginn des Holodomor zum 75. mal. Doch was ist der Holodomor (Голодомор) überhaupt? Der Holodomor - welches als Hungertod übersetzt werden kann - war das systematische verhungern lassen der (west-) ukrainischen Landbevölkerung durch die sojetische Herrschaft unter Josef Stalin (Иосиф Сталин).


Offizielles Plakat für den Holodomor Gedenktag


Der Holodomor forderte zwischen 3 bis 7 Millionen Tote in der Ukraine. Beim Holodomor handelt es sich um einen Genozid mit dem die sowjetische Führung die Vernichtung des ukrainischen Volkes beabsichtigte. Insofern war es auch eine Strafmassnahme, da sich die Ukrainer gegen die Zwangskollektivierung und früher auch schon gegen die Integration der Ukraine in die Sowjetunion zur Wehr gesetzt hatten. Im Herbst 1932 wurde der Landbevölkerung mit Waffengewalt die ganze Ernte abgenommen und die Bevölkerung im Winter daran gehindert, in die Städte zu gehen, wo es Lebensmittel gab. Die Konsequenz war der Hungertod von Millionen von Ukrainern, fast die Hälfte davon Kinder. Im Frühling 1933 gelangten erste Meldungen über den Holodomor in den Westen, gelangten aber medial durch die Machtergreifung Hitlers in den Hintergrund. Der Holodomor ist deshalb einer der am wenigsten bekannten Genozide des 20. Jahrhunderts.


Ein weiteres, drastischeres Plakat


Die Ukraine setzt sich international dafür ein, dass der Holodomor auch weltweit als Genozid anerkannt wird. Auf internationaler Ebene haben schon Argentinien, Australien, Aserbaidschan, Belgien, Brasilien, Ecuador, Estland, die Europäische Union, Georgien, Italien, Kanada, Lettland, Litauen Moldawien, Paraguay, Peru, Polen, Spanien, Ungarn, die USA und der Vatikan den Holodomor offiziell als Genozid anerkannt. Die Schweiz leider noch nicht! Russland als indirekt verantwortlicher Staat (da offizieller Nachfolgestaat der UdSSR) lehnt die Bezeichnung "Genozid" für den Holodomor ab. Dem Hunger in der Sowjetunion zwischen 1932 und 1933 seien nicht nur Angehörige eines Volkes zum Opfer gefallen und überhaupt sei alles eine Naturkatastrophe gewesen. Der erste Kritikpunkt stimmt insofern, da es auch Opfer in Russland und Kasachstan gab - weitaus am meisten aber in der Ukraine. Da der Diktator Stalin in Russland ein Revival feiert und die Russen ja immer mit den Ukrainern befreundet waren, passt die Wahrheit der heutigen russischen Führung aber überhaupt nicht in ihr Selbstverständnis...


Sofien-Kathedrale
mit speziell
davor errichtetem Totenkreuz

Der Holodomor Gedenktag wurde dabei erst unter Präsident Viktor Juschtschenko (Віктор Андрійович Ющенко) eingeführt. Am Holodomor Gedenktag wird die Flagge auf dem Maidan augf Hlbmast gesetzt und die Bevölkerung zeigt ihre Solidarität, indem sie Kerzen oder Totenlaternen in der Nacht vor die Fenster stellt. Natürlich ist der Gedenktag wie fast alles in der Ukraine politisiert. Im Westen findet dieser Gedenktag, gefördert durch die Orangen Kräfte, grossen Anklang, im wenig davon betroffenen Osten hingegen viel weniger. Und natürlich dient dieser Anlass auch dem "Nation Building" in der Ukraine.


Totenlaternen vor der Michaelskathedrale


Ich habe dieses Jahr das erste Mal die zentrale Gedenkveranstaltung auf dem Michaelsplatz vor der Michaelskathedrale besucht. Der ganze Platz und die angrenzende Umgebung wird dabei mit Totenlaternen (Kerzen) gefüllt, welche in verschiedenen Mustern (Rechtecke, Kreuze, Herze, ukrainischer Dreizack) angeordnet werden. Dabei muss es sich um zigtausende Kerzen handeln - wirklich sehr eindrücklich. Das Ganze wird dabei von sehr melancholischem ukrainischen Gesang, welcher an ein Requiem erinnern, untermalt.


Holodomor Gedenkstätte
umgeben mit vielen Totenlaternen


Am Samstagabend waren dabei trotz schlechtem nasskaltem Wetter viele Leute auf dem Platz und das Fernsehen hat zeitweise direkt vom Platz übertragen. Auch habe ich an allen offiziellen Gebäuden in Kiew und auch an vielen Fenstern von privaten Gebäuden Kerzen gesehen.


Rand des Michalesplatzes mit Aussenministerium im Hintergrund


Ich war ehrlich gesagt nach dem Besuch auf dem Platz tief beeindruckt und das Ganze ging mir richtig unter die Haut. In Anbetracht des Ausmasses dieses Genozids kann ich als Schweizer wirklich danbar sein, dass die Schweiz das 20. Jahrhundert relativ unbeschadet überstanden hat.


Michaelsplatz voller Totenlaternen bei Tag

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